Informationsgespräch mit Westfleisch

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„Wir haben Konsequenzen gezogen und werden weitere Veränderungen und Verbesserungen für unsere Mitarbeiter, aber auch für die Coesfelder Bevölkerung zeitnah umsetzen.“ Dies war Tenor des dreistündigen Gesprächs zur aktuellen Situation und der perspektivischen Unternehmensentwicklung am Westfleisch-Standort in Coesfeld.

Den kritischen Fragen der Vertreter der Ratsfraktionen stellte sich die Führungsspitze der Westfleisch SCE, so der geschäftsführende Vorstand Carsten Schruck und der Standortleiter Johannes Bayer. Das Gespräch war bereits im Januar vor der Corona-Krise als Informationsgespräch über die Perspektiven des Produktionsstandortes vereinbart worden, ursprünglich geplant als gemeinsame Betriebsbegehung, so zum Gesprächsbeginn Bürgermeister Heinz Öhmann. Es fand nun unter besonderen Vorzeichen statt.

Carsten Schruck berichtete, dass die Genossenschaft, getragen von 4612 Landwirten, heute rund 5.500 Arbeitsplätze vorhalte. „Wir haben schon vor Jahren die Trendwende eingeleitet, die nun politisch gefordert wird“, erläuterte Schruck. Seit 2017 sind bereits 2.000 Arbeitsplätze, die bisher bei Werkvertragsunternehmen bestanden, in das Unternehmen integriert worden. Mittlerweile sind Zweidrittel der Belegschaft bei der Westfleisch SCE beschäftigt, die in Tarifverträgen mit der Gewerkschaft NGG eingebunden sind. Auf Nachfrage der Ratsmitglieder sagte Schruck zu, dass unabhängig von nun laufenden gesetzlichen Initiativen bis zum Jahresende alle bisherigen Vertragsarbeitnehmer in die Unternehmensgruppe Westfleisch übernommen werden.

Eine weitere verbindliche Zusage machte die Geschäftsführung der Stadtspitze: Bis zum Jahresende wird auch die komplette Unterbringung der Mitarbeiter in die Regie des Unternehmens laufen „Das ist ein großer Kraftakt für das Unternehmen, denn das ist bisher nicht unser Kerngeschäft, aber wir stellen uns dieser Verantwortung“, so Carsten Schruck. Großen Wert legte der Westfleisch-Vorstand auf die Tatsache, dass im Unternehmen seit Jahren Tarifverträge existieren, für alle nach deutschem Recht Sozialversicherungsbeiträge gezahlt würden und konzernweite Arbeitnehmer-Mitbestimmung gelte. „Als genossenschaftliches Unternehmen fahren wir hier schon länger eine andere Linie als die Mitbewerber“. Das fordere das Unternehmen maximal, daher sei die Umsatzrendite auch in der Vergangenheit mit 0,5 % vergleichsweise gering. „Abgesehen von einer Dividende von 4,2%, die wir unseren Eigentümern auf ihre Einlagen zahlen, bleibt das Kapital komplett im Unternehmen“, beantwortete Schruck die Frage von Bürgermeister Öhmann, ob er sich als Schlachtbaron empfinde, der hohe Renditen abschöpfe.

Johannes Bayer berichtete anschließend über die Umsetzung des Hygienekonzeptes, das mit dem Kreisgesundheitsamt und dem Ordnungsamt abgestimmt ist und regelmäßig durch unangekündigte Kontrollen der Behörden überprüft wird. Deutlich wurde, dass eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen von der Unterbringung über die Fahrten zur Betriebsstätte bis zur Situation der Umkleiden und der Einhaltung der Abstandregelungen bei der Arbeit notwendig sind, um den Infektionsschutz am Arbeitsplatz sicherzustellen und damit letztlich den Schutz der Coesfelder Bevölkerung zu gewährleisten. „Aber Sie hatten doch schon vor dem Ausbruch ein Hygienekonzept?“ wurde die Betriebsleitung von den Ratsmitgliedern nach den Fehlern gefragt.

„Wir entwickeln dieses stetig weiter und haben leider auch feststellen müssen, dass Einzelne die schon im März formulierten Anforderungen nicht zu 100% umgesetzt hatten. Daraus haben wir unsere Konsequenzen gezogen, wie ja auch bereits zu lesen war.,“ erklärte die Geschäftsleitung. Zu den seit einigen Monaten praktizierten Weiterentwicklungen des Hygienekonzeptes zähle  z.B. die konsequente Ausrichtung der Wohnsituation auf Arbeitsteams, die noch stärkere Kontrolle der Fahrten zur Arbeit und der Maskenpflicht im Unternehmen.

„Das geht auch oft konträr zu den Interessen der Mitarbeiter“, machte Schruck auf die Herausforderungen bei der Umsetzung aufmerksam. „Bislang suchte man sich Wohnsituationen verständlicherweise eher nach persönlichen Bekanntschaften aus als nach der Arbeitssituation. Das beeinflusst bei vielen Beschäftigten das Privatleben in nicht unerheblichem Ausmaß und verursacht eine Menge Umzüge“. Daher bedürfe es auch einiger Überzeugungsarbeit, die Vorgaben umzusetzen. Im Übrigen wären seit jeher mehr als die Hälfte der über Werkvertrag beschäftigen Mitarbeiter über privat angemietete Wohnungen untergebracht.

Zentrales Element des Hygienekonzeptes ist nun auch eine tägliche Testung aller Mitarbeiter, die das Werk betreten. „Das ist ein hoher Aufwand und geht deutlich über das hinaus, was jetzt das Land den Betrieben vorschreibt. Es ist aber wichtige, dass wir jede mögliche künftige Infektion sofort erkennen und dann schnell reagieren können.“, erklärte Johannes Bayer.

Bürgermeister Heinz Öhmann fokussierte den dritten Schwerpunkt des Gespräches, die Erweiterungsabsichten in Coesfeld vor allem auf die Frage, ob die immissionsmindernden Maßnahmen zwingend von der Gesamterweiterung des Betriebes abhängen. „Wir haben zwei Schritte vor“, erläuterte Johannes Bayer die aktuellen Planungen. Für die Erweiterung des Kühlhauses und die Errichtung einer großen Biofilteranlage zur Abluftreinigung sei bereits ein Genehmigungsantrag gestellt. „Das machen wir ganz unabhängig von unseren mittelfristigen Überlegungen“, versicherte Schruck auf Nachfrage. „Damit wird sich bei den Geruchsimmissionen eine ganz deutliche Verbesserung für die Nachbarschaft ergeben“, ergänzte Bayer. Gegenüber dem jetzt erreichbaren wird es auch bei einer zusätzlichen, zukünftigen Erweiterung des Schlachtbetriebes keine Verschlechterung ergeben. Im Zuge der mittelfristig geplanten Ausweitung der Schlachtkapazität, die zu Lasten anderer Standorte der Unternehmensgruppe gehe, sei durch eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen vielmehr eine weitere Verbesserung insbesondere bei den Lärmimmissionen geplant.

Mehr Schlachtungen bedeuten doch mehr Verkehr und damit mehr Lärm-Immissionen, wurde durch die Fraktionsvertreter kritisiert.

Durch Entzerrung und Verlagerung eines Teils der Zu- und Abfahrten werde man dennoch versuchen, den Verkehrslärm insbesondere Im Bereich Borkener Straße / Weißes Kreuz zu verringern.

Ob und in welchem Umfang diese Erweiterung kommen werde, sei aufgrund der Änderung der Marktlage, der rechtlichen Vorgaben auch in Bezug auf das Thema Tierwohl aktuell nicht ausreichend einzuschätzen, so Vorstand Carsten Schruck.

Geplant war eigentlich, nach den Sommerferien die erste Bürgerinformation im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens zu starten. „Das müssen wir nach den heutigen Informationen um einige Monate verschieben“, erklärte Stadtbaurat Thomas Backes. Anwohner, Bürgerinnen und Bürger brauchen verlässliche Informationen, dazu muss die voraussichtliche betriebliche Entwicklung seitens Westfleisch klar sein“, betonte er. Hinzu kommt, dass sich die Bestandsdaten zum Verkehrsgeschehen zurzeit nicht verlässlich ermitteln lassen.

Auf einhellige Zustimmung stieß am Ende des Gespräches die abschließende Äußerung des Bürgermeisters, dass der Austausch in der erfolgten Form sehr aufschlussreich und in sachlich konstruktiver Form stattgefunden habe. Die vorauslaufende Kritik an der Form wurde von keinem Ratsvertreter mitgetragen.

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